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Virtuelle Bildung

Formationen und Transformationen von Bildungswissen

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts ist die – durch die Corona-Pandemie erheblich verschärfte – Beobachtung, dass auch in pädagogischen Feldern bereits in selbstverständlicherer und vielfältigerer Weise mit virtuellen Objekten, Settings und Praktiken umgegangen wird, als oft in den Debatten zur ‚Digitalisierung des Pädagogischen‘ unterstellt wird. Virtualität ist in unterschiedlichen Bedeutungsfacetten längst auch zum Kennzeichen pädagogischer Lebens- und Wissenswelten geworden und prägt nicht nur Wissensaneignungs- und (mit diesen im Rahmen von Plattformen und deren Datenproduktion verschränkte) Wissensproduktionspraktiken, sondern auch jeweilige Zugänge und (Aus-)Wahlmöglichkeiten.

Vor diesem Hintergrund zielt das Teilprojekt B03 »Virtuelle Bildung: Formationen und Transformationen von Bildungswissen« auf die Erforschung von Praktiken und Formen des Bildungswissens in virtuellen Kontexten und fragt sowohl nach deren Formation als auch Transformation; es ist daher von Anfang an sowohl gegenwartsorientiert (Unterprojekt B03.1: Virtuelle Bildung in der Gegenwart / Ltg.: Norbert Ricken) als auch historisch (Unterprojekt B03.2: Virtuelle Bildung um 1800 | 1900 / Ltg.: Joachim Scholz) angelegt. Dabei wird – in Erweiterung bisheriger medienpädagogischer, -didaktischer oder sozialisationstheoretischer Untersuchungen – mithilfe des Konzepts des »Bildungswissens« (Ricken/Reh/Scholz 2022) eine dezidiert wissenstheoretische und -geschichtliche Perspektive genutzt, um in spezifischer Weise die mit „Bildung“ – seit ihrer Etablierung um 1800 – verbundenen Wissenspraktiken und -ordnungen analysieren zu können. Mit „Bildungswissen“ wird – zwar im Rückgriff auf eine frühe typologische Unterscheidung verschiedener Wissensformen bei Scheler (1926), konzeptionell jedoch deutlich anders justiert – nicht nur jenes Wissen und die dieses konstituierenden Praktiken bezeichnet, das die ältere Generation seit jeher der jüngeren auf- und mitzugeben versucht, sondern sowohl eine spezifische Struktur als auch eine spezifische Thematisierungs- und Reflexionsform von Wissen in intergenerationaler Perspektive in den Blick genommen. In seiner Form als ein spezifisches ‚Wissen über Wissen‘ erlaubt Bildungswissen daher die perspektivische Analyse von Wissenskulturen.

Exemplarischer Untersuchungsgegenstand des Projekts sind zunächst Wissenspraktiken im Bereich der sogenannten ‚höheren Bildung‘. Im Vordergrund stehen dabei einerseits Programmatiken (insbesondere der historischen bzw. gegenwärtiger Studieneinführungsliteratur) und andererseits ein heterogenes Bündel an Wissenspraktiken, die heuristisch in Praktiken der Textaneignung und -auseinandersetzung (wie Lesen, Annotieren und Exzerpieren), Praktiken der Ordnung von Wissen (wie Notieren, (Zu-)Ordnen und Verknüpfen von Notizen in Zettelkästen oder ihren Äquivalenten) sowie Praktiken der Prüfung (wie systematisches Gliedern, Kompilieren, Skizzieren und Produzieren bzw. Schreiben) und schließlich ihrer Verarbeitung und Anschlussbildung in einer Post-Prüfungsphase ausdifferenziert werden. Zugleich werden die in diesen Praktiken gebildeten Formen des Wissens hinsichtlich ihrer Ordnungen, Logiken und Funktionen untersucht und auf Wissenskulturen und deren Formationen und Transformationen bezogen.
Leitend sind daher vier Frageperspektiven:
(1) Wie gestalten sich Formen und Praktiken von Bildungswissen in von Virtualität geprägten pädagogischen (Lebens-)Welten aus und durch welche Strukturmomente sind sie gekennzeichnet?
(2) Welche Wissenskulturen und -ordnungen resultieren aus diesen Wissenspraktiken und wie sind durch Virtualität geprägte Wissens- und Vorstellungswelten jeweilig hinsichtlich ihrer epistemischen Subjektformen (Subjektivierung) und epistemischen Objektformen (Objektivierung) strukturiert?
(3) Inwiefern und in welchen Hinsichten kann gegenwärtig mit Blick auf die Geschichte der Bildungs- und Wissenspraktiken seit 1800 von einem Wandel, einer Transformation des Bildungswissens gesprochen werden?
(4) Wie lässt sich Bildungswissen praxeologisch fassen und als systematisches Konzept für erziehungswissenschaftliche Forschungen fruchtbar machen?

Während das bildungshistorische Unterprojekt B03.2 die genannten Praktiken und Formen des Bildungswissens in Umbruchsphasen der Wissenskultur (um 1800 und 1900) auf der Basis von z.T. noch nicht erschlossenen Quellen rekonstruiert, erforscht das ethnografisch verfahrende Unterprojekt B03.1 diese in ihren gegenwärtigen Ausformungen. Ziel ist es, beide empirischen Perspektiven systematisch zu verknüpfen und langfristig zu einer praxeologischen Theorie des Bildungswissens auszuarbeiten.

Das Forschungsprojekt ist Teil des SFB 1567 »Virtuelle Lebenswelten« an der Ruhr-Universität Bochum (Ltg. Stefan Rieger) und wird von der DFG für 4 Jahre (2022-2026) gefördert. Kristin Flugel und Dr. Katharina Vogel sind als Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Projekt beschäftigt.

Sekretariat
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Lehrveranstaltungen
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