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Nachruf auf Prof. Dr. Detlef K. Müller (1934 - 2024)

20.12.2024

Die Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft und das Institut für Erziehungswissenschaft trauern um Prof. Dr. Detlef K. Müller, der am 19. Dezember 2024 im Alter von 87 Jahren in Meerbusch verstorben ist. Detlef K. Müller studierte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Soziologie, Philosophie, Geschichte, Germanistik und Pädagogik. Angeregt durch seinen akademischen Lehrer Walter Rüegg (1918–2015) widmete er sich früh der Erforschung der Geschichte des höheren Schulwesens in Preußen/Deutschland. Seine Dissertation, 1977 publiziert unter dem Titel „Sozialstruktur und Schulsystem. Aspekte zum Strukturwandel des Schulwesens im 19. Jahrhundert“ gehört, wie später die „Datenhandbücher zur deutschen Bildungsgeschichte“, an denen er an entscheidender Stelle initiativ und forschend mitwirkte, zu denjenigen Arbeiten, die seit den 1970er Jahren dem sozialhistorischen Paradigma in der Historischen Bildungsforschung zum Durchbruch verhalfen. Detlef K. Müller war einer derjenigen Wissenschaftler, die durch Auswertung serieller Quellen, Aggregation statistischer Daten und den Einsatz neuer EDV-Technologie zu einem neuen Verständnis der Geschichte des modernen Bildungs- und Erziehungswesens und seiner „Systembildung“ im 19. Jahrhundert beitrugen. Seine Forschungen haben entscheidend dazu beigetragen, die Geschichte des höheren Schulwesens als Teil der Gesellschaftsgeschichte zu begreifen. So führte die Untersuchung von Qualifikationskrisen im Bildungssystem zu einer Neubewertung der Systemdynamik und öffnete den Blick für die vielfältigen Funktionen von schulischen Qualifikationen in der deutschen Geschichte zwischen sozialer Reproduktion und sozialem Aufstieg.

Seit 1972 wirkte Detlef K. Müller für 30 Jahre auf dem damals an der Ruhr-Universität neu eingerichteten Lehrstuhl für Sozialgeschichte der Erziehung und des Bildungswesens. Von 1978 bis 1984 war er Sprecher des geisteswissenschaftlichen DFG-Sonderforschungsbereichs „Wissen und Gesellschaft im 19. Jahrhundert“. Er war langjähriges Mitglied des Senats der RUB, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Pädagogik und Dekan der Fakultät III. Müller etablierte enge Kontakte mit internationalen Forscherinnen und Forschern. Aus der Kooperation mit US-amerikanischen und britischen Kollegen ging 1989 die wichtige Publikation „The Rise of the Modern Educational System: Strucural Change and Social Reproduction 1870–1920“ (gemeinsam mit Fritz K. Ringer und Brian Simon) hervor.

Bleibende Impulse setzte er auch für die in den 1990er Jahren einsetzenden Studienreformen an der RUB: Mit Kolleginnen und Kollegen aus den Fächern Geschichte, Anglistik und Germanistik initiierte er 1993 das sogenannte „M.A.-Reformmodell“, das lange vor dem Bolognaprozess die Basis für die frühe Einführung gestufter Studiengänge an der RUB im Jahre 2001/02 legte. Aus dem für seine Innovativität mehrfach prämierten Reformmodell ging auch der auslandsorien­tierte Studiengang „Europäische Kultur und Wirtschaft / European Culture and Economy“ (ECUE) hervor, der seit 1999 pro Jahr je 30 deutsche und 30 ausländische Kommiliton:innen – viele von ihnen aus der Volksrepublik China – wissenschaftlich qualifizierte. Kernelemente des M.A.-Reformmodells wie Beratung, Betreuung und Zusatzqualifikationen haben sich bis heute in der Organisation des Optionalbereichs für die gestuften Studiengänge der RUB erhalten.

Noch lange nach seiner Emeritierung im Jahre 2003 blieb Detlef K. Müller dem Institut für Erziehungswissenschaft als Berater und Lehrer eng verbunden. Fakultät und Institut werden Detlef K. Müller ein ehrendes Andenken bewahren.